Eine Reportage über einen deutschen Richter und dessen Erfahrungen als Mitarbeiter bei der internationalen Friedensmission im Kosovo. Geschrieben für meine Bewerbung um ein Redaktionsvolontariat beim MDR.
Platsch.
Aber da erreichen wir auch schon Herrn Dr. Memmingers Arbeitsplatz: Mitten in Prishtinas Innenstadt, verschanzt hinter Stacheldraht, befindet sich das Gebäude der UN. Über dem grauen und unzugänglich wirkenden Betonbau prangt der Name der Mission, die den Kosovo die letzten zehn Jahre verwaltet hat, in mannshohen Plastiklettern: UNMIK. Diese sperrige Abkürzung steht für die noch immer fehlende staatliche Souveränität des Kosovo.
Die Anwesenheit von Herrn Dr. Memminger, ehemaliger Thüringischer Oberrichter im Ruhestand, ist nur ein weiteres, beredtes Zeichen dafür.
Im Gebäude grüßen uns unpersönlich sterile, frisch gebonerte Flure. Erst nach einer Tour durch das ganze Gebäude erreichen wir den kleinen Konferenzraum. Auch dieser zeigt sich ohne unnötigen dekoratorischen Schnick-Schnack. Nur eine zierliche, tunikabewandete Frauenfigur mit Wage in der Hand und kryptischem Blick verrät, was sich hier in diesem Gebäude abspielt.
Die Anwesenheit von Herrn Dr. Memminger, ehemaliger Thüringischer Oberrichter im Ruhestand, ist nur ein weiteres, beredtes Zeichen dafür.
Im Gebäude grüßen uns unpersönlich sterile, frisch gebonerte Flure. Erst nach einer Tour durch das ganze Gebäude erreichen wir den kleinen Konferenzraum. Auch dieser zeigt sich ohne unnötigen dekoratorischen Schnick-Schnack. Nur eine zierliche, tunikabewandete Frauenfigur mit Wage in der Hand und kryptischem Blick verrät, was sich hier in diesem Gebäude abspielt.
Herr Dr. Memminger ist hier im Kosovo, um dem jüngsten Staat in Europa Rechtstaatlichkeit zu bringen. Im Jahr 2002 hat er sich freiwillig für die UN Mission im Kosovo verpflichtet. Da hatte er gerade sein 65. Lebensjahr vollendet und damit seinen verdienten Ruhestand erreicht. „Ich konnte mir aber einfach noch nicht vorstellen, mich an einem netten Ort zur Ruhe zu setzen. Ich war ja mein ganzes Leben lang aktiv, habe immer neue Herausforderungen gesucht. Als junger Jurastudent wollte ich eigentlich in den diplomatischen Dienst gehen. Der war aber damals noch allen verschlossen, die kein „von“ in ihrem Namen trugen, ein adeliges Refugium sozusagen. Deshalb wurde ich Richter. Nach meinem Ruhestand wurde ich dann vom Auswärtigen Amt gefragt, ob ich nicht helfen wollte, Rechtstaatlichkeit im Kosovo aufzubauen“.
Und hier in diesem unauffälligen Raum passiert genau das. Indem Herr Dr. Memminger die einheimischen Richter, vor deren lebenslangen Berufung auf ihre Integrität und Kompetenz prüft, versucht er den Kosovaren eine unabhängige Richterschaft zu geben. Das ist auch bitter nötig, werden doch viele richterliche Urteile im Kosovo aus ethnischer Loyalität oder durch die Einwirkung machtvoller Strippenzieher aus den Reihen der ehemaligen „Befreiungsorganisation“ UCK gefällt.
Ein hochgewachsener, schlecht rasierter dabei aber natürliche Autorität ausstrahlender kosovo-albanischer Richter betritt nun den Raum. Ist Richter Ardem Coli, der mit einem zurückhaltenden Lächeln die drei internationalen Berufskollegen begrüßt, einer jener Richter die durch äußeren Druck oder ethnische Animositäten parteiische Urteile gefällt haben? Hier in diesem spartanischen Raum wird er nun eine Stunde lang seine Integrität verteidigen müssen, um weiter als Diener der Justitia tätig sein zu dürfen. 12 Fragen wurden dafür erarbeitet. Dr. Memminger stellt sie nacheinander auf Englisch - die in einer Glaskabine sitzenden Dolmetscher übersetzen ins Albanische. Mit unbeweglicher Mine antwortet Richter Coli auch auf sensible Fragen zu seiner Vergangenheit: War er Mitglied bei der UCK? Was hat er in den 90er Jahren gemacht, als die Serben alle im öffentlichen Dienst angestellten Albaner aus ihren Posten entfernten? Nichts ist zu heikel, um gefragt zu werden.
Dann ist die Prozedur auch schon zu Ende. Herr Coli ist für heute entlassen, die Entscheidung, ob er für Lebenszeit als Richter ernannt werden wird, wird erst später endgültig gefällt. Herr Coli verabschiedet sich knapp und ohne die Mundwinkel zu verziehen. Erst da meine ich, aus seiner Mimik einen gewissen Widerwillen herauslesen zu können. Denkt er genauso wie die Tageszeitungen hier, die zunehmend die internationalen Präsenzen und ihre Vollmachten als kolonialistisch und uneffektiv kritisieren?
„Die großen Tageszeitungen schreiben, dass sich die ausländischen Berater hier zwar eine goldene Nase verdienen, dabei aber nichts gegen die großen Probleme des Kosovo ausrichten. Ich dagegen sehe, wie hart wir ausländischen Richter arbeiten. Aber wegen fehlendem Justizpersonal, undurchsichtigen Rechtsverhältnissen und langen Prozesszeiten kommen diese Anstrengungen oft nicht bei der Bevölkerung an. Manchmal ist das alles schon entmutigend. Dann denke ich daran, mich ins idyllische Niederbayern zurückzuziehen, wo meine Frau ein Haus auf einem Felsvorsprung an der Donau besitzt“. Dr. Memminger seufzt und man sieht ihm an, dass er schwankt zwischen dem Idealismus, der ihn hergebracht hat und der ihm immer noch sagt, dass er hier viel zum Aufbau einer neuen Gesellschaft beitragen kann. Auf der anderen Seite steht aber die Befürchtung, dass seinen Anstrengungen keine adäquate Verbesserung der Verhältnisse hier gegenübersteht. Besonders in dieser Stimmung träumt er dann davon, daheim im Chor der Kantorei mitzusingen und sich seiner Sammlung seltener Bücher zu widmen.
Jetzt wird er aber erst einmal seinen bespritzten Anzug zum Reinigen bringen. Lang wird es nicht mehr dauern, bis er endgültig zurückkehrt, nach Deutschland, wo nicht nur der Straßenbelag effizient verlegt ist und nicht nur die Straßenverhältnisse gut geordnet sind.